Exportfinanzierung im Spannungs­feld zwischen Tra­dition und Trans­formation

Globaler Handel im Wandel


Gastbeitrag von Dr. Erich Suess, Ge­schäfts­führer und Partner, Boston Con­sulting Group und Dr. Markus Ampenberger, Ge­schäfts­führer und Partner, Boston Con­sulting Group

 

Der weltweite Handel befindet sich nach vielen Jahren mit Multi­la­teralismus, freiem Handel ohne Be­schrän­kun­gen von Im­porten und Ex­porten und der Nutzung globaler Liefer­ketten, in einer Phase tief­greifender Ver­änderungen. Eine Phase relativer poli­tischer Sta­bi­li­tät nach dem Ende des kalten Krieges weicht geo­po­litischen Kon­flikten, wirt­schaft­lichem Nationalismus und Pro­tektionismus sowie nationalen sicher­heits­po­litischen Interessen. Diese tek­tonischen Ver­schie­bun­gen ver­lang­samen das glo­bale Handels­wachs­tum. Zwar bleibt die Ent­wick­lung ins­ge­samt po­sitiv, doch wird sie künftig mo­de­ra­ter aus­fal­len und sich stärker auf re­gio­nale Märkte kon­zen­trieren.

 

Neue Muster in den Handels­strömen

In der Folge der ver­änderten geo­po­litischen Lage re­konfigurieren Unter­nehmen ihre Liefer­ketten und Handels­routen mit dem Ziel, Ab­hängig­keiten von wenigen Lie­feranten und/oder Lie­ferungen wichtiger Roh­stoffe oder (Vor)­Produkten aus geo­politisch in­stabilen Re­gionen zu re­duzieren. So ist zum Bei­spiel zu er­warten, dass die neue US-Regierung im Rahmen ihrer Wirt­schafts­politik über die De­kla­rierung von Zöllen ge­zielt versucht, die Ab­hängigkeit von Im­porten zu reduzieren und globale Unter­nehmen zur Ver­lagerung von Pro­duktions­stätten in die USA zu be­wegen.

Be­stimmte Branchen, wie z. B. den Auto­mobil­sektor (Ex­por­teure aus der EU) oder die Elek­tronikbranche (Exporteure aus Asien), wird diese Ent­wick­lung be­sonders stark treffen. Gleich­zeitig ist zu erwarten, dass China sich verstärkt auf den Globalen Süden aus­richtet, wäh­rend Indien und Süd­ost­asien zu­neh­mend als Wachstums­motoren des globalen Handels an Be­deutung ge­winnen. Auch Europa steht vor einer Neu­aus­richtung: Es gilt, die Pro­duktivität deutlich zu steigern und den bis­herigen Fokus auf China durch ver­stärk­ten Binnen­handel in der EU sowie Partner­schaften mit den USA, Japan sowie auf­stre­ben­den Märkte wie Indien, der Türkei und Afrika zu er­weitern.

Das Schau­bild zeigt aktuell anti­zi­pierte Ent­wick­lungen globaler Handels­ströme in der nächsten Dekade auf Basis des BCG Global Trade Models. In­folge der fragilen geo­poli­tischen Lage ist jedoch – ab­hängig von der Ent­wicklung der Indus­trie- und Zoll­politik – in den nächsten Jahren auch mit einer höheren Unsicher­heit und Volatilität be­züglich des Handels­volumens und seiner regio­nalen Ver­teilung zu rechnen.

In diesem unsicheren Umfeld wird für inter­national agierende Unter­nehmen eine geo­strategische Sicht­weise mit einer vor­aus­schauen­den Szenario­planung un­ver­zicht­bar, um geo­politische Ent­wicklungen früh­zeitig vor­her­zu­sehen sowie Liefer­ketten- und Handels­strategien situativ flexibel an­passen zu können.

Technologie als Treiber des Wandels

Digitale Innovationen verändern die Art und Weise, wie die globale Export­wirt­schaft abgewickelt wird. KI-gestützte Daten­er­fassung war ein erster Schritt, doch für eine durch­gängige Di­gi­ta­li­sierung sind struk­turierte Daten­formate und API-basierte Netz­werke un­er­lässlich. Noch be­hindern re­gu­latorische Lücken, frag­men­tierte Stan­dards und isolierte Platt­formen den Fort­schritt. Gleich­zeitig er­öffnen neue Tech­no­lo­gien wie generative KI er­heb­liche Po­tenz­iale – von der auto­mati­sierten Daten­extraktion über die Doku­menten­prüfung bis hin zum Ver­trags­management. Viele An­wen­dungen be­finden sich noch in der Pilot­phase, doch für Untern­ehmen, die frühzeitig investieren, bieten sich klare Wett­bewerbs­vor­teile in einer zu­nehmend digi­tali­sierten Handels­welt.

Europa im Zeichen der globalen Trends

Die zu­nehmende Regionali­sierung und strategische Re­konfiguration von Liefer­ketten lassen sich auch in Europa und Deutsch­land deutlich er­kennen. Ein Bei­spiel dafür ist der Er­satz russischer Energie­im­porte durch Lieferungen aus Nor­wegen bzw. durch stra­te­gische Partner wie den Ver­einigten Staaten. Weitere Im­pulse für die Export­wirt­schaft ergeben sich aus den ver­schärften Basel-III-Kapital­an­forderungen und erweiterten Compliance-Vor­schriften, der Um­setzung neuer Frei­handels­ab­kommen wie Mercosur sowie aus dem Green Deal und ESG-Regu­lierungen.

Deutschlands Export­wirtschaft zwischen Kontinuität und An­passung

Die deutsche Export­wirt­schaft steht vor einem struk­turellen Wandel in ihren Absatz­märkten, während ihre Branchen­kon­zen­tration voraus­sichtlich un­ver­ändert bleibt. Aus­gehend von einem Handels­über­schuss von rund 300 Mrd. Euro und einem An­teil von etwa 10 % am welt­weiten Waren­handel im Jahr 2023 wird Deutsch­land auch in den nächsten Jahren eine führende Export­nation bleiben. Die Länder in der EU sind weiter­hin die wichtigsten Handels­partner, sowohl als Absatz­markt als auch auf­grund ihrer Rolle als Ko­operations­partner in han­dels­po­litischen Weichen­stel­lungen. Gleich­zeitig ist auf­grund der geo­po­litischen Lage eine stärkere Di­ver­si­fi­zierung der Absatz­märkte zu er­warten, z. B. eine Er­wei­terung der Handels­be­ziehungen mit Ländern im globalen Süden. Trotz der Markt­ver­änderungen ist davon auszu­gehen, dass die Export­wirt­schaft auf ihre eta­blierten Kern­branchen fokussiert bleibt: Maschinen­bau, Automobil-, Chemie- und Pharma­in­dustrie werden auch künftig die tragenden Säulen des deutschen Außen­handels bilden.

Export- und Handels­finan­zierung unter Druck

Das Exportkreditgeschäft in Deutsch­land hat sich in den ver­gangenen Jahren nicht im Gleich­schritt mit der allge­meinen Ent­wick­lung des Außen­handels bewegt. Während z. B. die Exporte ins­ge­samt wuchsen, ging das Neu­deckungs­vo­lumen von Export­kredit­garantien im deutschen Markt spürbar zurück. Gleich­zeitig be­stehen inner­halb der EU er­heb­liche Unter­schiede in der Nutzung dieser Ab­sicherungs­instru­mente. Während einige Mitgliedstaaten stark auf Export­kredit­garantien setzen, bleibt ihre Be­deutung in anderen Märkten be­grenzt. Diese Unter­schiede er­fordern für Banken und Spezial­finanzierer wie die AKA gezielte, länder­spezifische Strategien, um ihr Geschäft mit ECA-gedeckten Finanzierungen lang­fristig zu sichern und maßge­schneiderte, wett­bewerbs­fähige Lösungen für Exporteure zu ent­wickeln.

Strategische Weichen­stellungen für die Zukunft der AKA

Um auch in einem Umfeld zunehmender Regionalisierung, tech­no­logischer Um­brüche und re­gu­la­torischer Heraus­for­derungen eine Schlüssel­rolle für deutsche und euro­päische Exporteure zu behalten, ist eine gezielte Weiter­entwicklung der strategischen Aus­rich­tung der AKA er­forder­lich. Drei zentrale Di­versi­fizierungs­hebel stehen dabei im Fokus:

Geografische Diversifizierung

Deutschland bleibt der zentrale Markt, doch eine Erweiterung des Geschäftsfokus auf andere europäische Länder mit Wachstum im ECA-Geschäft ist eine sinnvolle Ergänzung. Der gezielte Ausbau des Netzwerks der AKA und eine breitere Positionierung innerhalb Europas kann einen wichtigen Beitrag leisten, um langfristig als Spezialfinanzierer wettbewerbsfähig zu bleiben.

Sektorale Diversifizierung

Ein verstärktes Engagement in Wachstums­industrien, ins­be­sondere im Bereich der grünen Trans­formation mit hohen Finanzierungs­volu­mina unter Be­teiligung deutscher Unter­nehmen als Lieferanten oder Partner in Kon­sortien zum Auf­bau nach­haltiger Infra­struktur, erneu­er­baren Energien wie etwa Geo­thermie, Wind- / Solar­energie oder tech­no­logischen Innovationen, ist ent­scheidend. Die AKA kann sich hier über den ge­zielten Aus­bau der Branchen­kompetenz als fach­kundiger Partner der deutschen Kredit­wirt­schaft positionieren, um die Ex­port­wirtschaft in diesen zentralen Zukunfts­sektoren wirk­sam zu unter­stützen.

Produktportfolio-Erweiterung

Über die klassische ECA-Absicherung hinaus ist eine Weiter­ent­wicklung des Finanzierungs­angebots für die AKA sinn­voll, um in Zu­kunft zu wachsen. Der ge­zielte Auf­bau von Kompe­tenzen in den Bereichen Leveraged Finance und Kon­sortial­kredit­geschäft (z. B. für den export­orientierten deutschen Mittel­stand) er­öffnet der AKA die Möglich­keit, mit ihren Ge­sellschafter­banken auch in anderen Ge­schäfts­feldern zu ko­operieren und ihr Produkt­port­folio zu er­weitern. Mit den hier skizzierten Maß­nahmen kann die AKA Handels­finan­zierung im Spannungs­feld von Tradition und Trans­formation aktiv mit­ge­stalten und ihre Position als Spezial­finan­zierer und starker Partner der deutschen Kredit­wirt­schaft dauerhaft stärken.

Quellen

  1. Der „globale Süden“ be­zeichnet dabei 133 Länder mit niedrigem und mittlerem Ein­kommen, die heute etwa für 18 % des welt­weiten Brutto­inlands­produkts und 30 % des globalen Handels ver­ant­wort­lich sind, aber rund 62 % der Welt­be­völkerung aus­machen.
  2. BCG (2025). Great Powers, Geopolitics, and the Future of Trade.
    www.bcg.com/publications/2025/great-powers-geopolitics-global-trade

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